Das bewegte die Menschen vor 150 Jahren

Die erste allgemeine und geheime Wahl des Reichstags am 3. März 1871 im Wahlkreis Kitzingen


Ute Feuerbach

Der 24. Landtag tagt seit dem 3. Januar 1870 unter schweren politischen Auseinandersetzungen in München.

Der Nordheimer Landtagsabgeordnete und Bürgermeister Valentin Sauer vertritt weitgehend liberale Positionen

im „Widerstreit der Meinungen“. König Ludwig II. verspricht die Bündnistreue gegenüber Preußen, so dass Bayern

gemeinsam mit den anderen süddeutschen Staaten in den Krieg gegen Frankreich eintritt, eine schwere

Entscheidung, die der Abgeordnete Sauer am Ende mitzutragen hat. Es war der letzte Schritt zur deutschen Einigung unter Preußens Führung. Für die Zukunft des Landtags schien allerdings die Ankündigung König Ludwigs II.

zur Eröffnung des Landtags, eine Vorlage zur Einführung des direkten Wahlrechts zu machen, spannender.

Doch es kam angesichts der außenpolitischen Ereignisse und der Gründung des Deutschen Reichs nicht dazu


Im Deutschen Reich wird das Wahlgesetz des Norddeutschen Bunds als Reichswahlgesetz übernommen, aber der bayerische Landtag weiterhin indirekt bestellt. Da weder die Wahlstatuten noch die neue Reichsverfassung Parteien als politische Entscheidungsträger kennen, werden bei dem ersten am 3. März angesetzten Urnengang keine Parteien oder

Kandidatenlisten gewählt, sondern einzelne, verschiedenen Gruppierungen angehörende Personen.

Anders als bei der Wahl zum Landtag ist nun jeder volljährige Deutscher zur Wahl aufgerufen, gleich welchen Standes.

Nur arm darf er nicht sein, also soziale Unterstützung erhalten. Ein Wahlkreis soll im Durchschnitt 100.000 Einwohner umfassen, was die Zusammenfassung der Landgerichte Volkach, Gerolzhofen, Wiesentheid mit Kitzingen notwendig macht.

Da bereits 1868 für die Wahl zum deutschen Zollparlament 48 Wahlkreise in Bayern gebildet waren, stand der Wahlkreis Unterfranken 2 Kitzingen am 3. März 1871 fest. Die 1871/1873 umschriebenen 48 bayerischen Reichstagwahlkreise (397 im gesamten Deutschen Reich) bleiben dann bis August 1918 unverändert. Jeder Wahlkreis vergibt ein Reichstagsmandat unter den antretenden Kandidaten. Es kommt zu einem Wahlkampf, der vor allem zwischen den Liberalen und der katholischen Volkspartei ausgetragen wird. Im Wahlkreis Kitzingen gewinnt der Marktbreiter Kaufmann Christian Fischer als Kandidat der

Fortschrittspartei die Wahl, legt aber aus persönlichen Gründen bereits am 16. Oktober 1871 sein Mandat wieder nieder. So wird im Wahlkreis Kitzingen zu einer Nachwahl gerufen, deren Ergebnis nun der Fotoausschnitt dokumentiert. Forstmeister Dürig aus Ipsheim als Vertreter des fränkischen Volksvereins gewinnt diese Nachwahl. Sebastian Englert als Vorstand des fränkischen Weinbauvereins, Graf Clemens Schönborn als Zentrumsmitglied und Landtagsabgeordneter Kolb aus München, eventuell ein Vertreter der liberalen Mittelpartei, haben zumindest mehr als hundert Stimmen erhalten. Das Geheimnis des Erfolgs

von Dürig ist eine klare Unterstützung durch einen Großteil von Bürgermeistern und Honoratioren im Wahlkreis. Im Kitzinger Anzeiger vom 13.11.1871 werben sie für Dürig mit ihren Namen: „Herr Dürig ist der Mann unseres vollsten Vertrauens, ist der beste Mann, den wir Euch empfehlen können zu unserem Vertreter im deutsche Reichstage.“ Der fränkische Volksverein hat den vormaligen Oberforstmeister des Landgerichts Dettelbach seit 17 Jahren in seinen Kandidaturen unterstützt. Jetzt folgt diesem Vertrauensvorschuss die Mehrheit der Wähler. Nur gibt es für Düring in Berlin nichts zu bewegen, auch nicht, als er sich der

linksliberalen Reichspartei unter der Führung von Fürst Clodwig Hohenlohe-Schillingsfürst,dem bayerischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler anschloss. Zur Neuwahl am 10. Januar 1874 tritt er nicht mehr an, nachdem Fürst Hohenlohe nach Paris als Botschafter bestellt wird. Jetzt zieht Clemens von Schönborn, Herr auf der Hallburg, als Vertreter des Zentrums für den Wahlkreis in den Reichstag ein. Die deutsche Zentrumspartei sollte bis 1933 als Vertreter des katholischen Deutschlands neben den Nationalliberalen und Sozialdemokraten die Parteienlandschaft des Kaiserreichs prägen.


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